Mein Kind ist besonders anstrengend

Mit der Geburt eines Babys ändert sich grundsätzlich schon mal fast alles im Leben von jungen Eltern. Doch es gibt Säuglinge, die besonders herausfordernd sind. Zum Schlafen in den Kinderwagen legen und eine Runde drehen - Fehlanzeige! Das Kind bei den Großeltern lassen, damit man mal wieder in Ruhe duschen kann, ebenso unmöglich… Im Kleinkindalter kommen dann noch diverse andere Probleme dazu, große Schwierigkeiten mit der Eingewöhnung in der Kita, lang anhaltende Wutausbrüche, sehr lange Einschlafbegleitung, etc. Wenn junge Eltern eh schon mit diesen Problemen zu kämpfen haben, kommen immer gerne Ratschläge von Außenstehenden, oder sie werden gleich verurteilt bei der Erziehung wohl versagt zu haben.

Was habe ich falsch gemacht?

Das schürt noch mehr die Angst der Eltern daran zu glauben, dass sie Schuld daran sind, dass ihr Kind schwieriger und anders ist als andere Kinder. Warum stellt gerade mein Kind sich oft so quer, lässt nicht mit sich verhandeln, fällt öffentlich oft unangenehm auf? Gerade Mütter suchen den Fehler gerne bei sich, überlegen, ob sie sich vielleicht in der Schwangerschaft zu viele Gedanken gemacht haben, sich zu viel zugemutet haben und sie fühlen sich damit alleine. Doch das sind sie nicht, Fachleute gehen davon aus, dass ca. jedes siebte Baby emotional deutlich stärker reagiert und viel sensibler ist als Kinder in seiner Altersgruppe. Gefühlsstarke Kinder erleben Gefühle viel intensiver als andere, zugleich sind sie sehr sensibel und besitzen eine hohe Wahrnehmungsfähigkeit. Zudem sind sie besonders hartnäckig und ausdauernd. Von außen auferlegte Strukturen empfinden sie als Freiheitsberaubung und tun sich besonders schwer mit Veränderungen. Körperkontakt, der nicht von ihnen ausgeht, wird abgelehnt und durch ihren starken Willen lassen sie sich nicht manipulieren oder bestechen. Drohungen laufen ins Leere. Pädagogisches Verhalten löst bei autonomen Kindern eine “allergische Reaktion” aus, ihre Grenzen geben sie nicht auf, auch nicht um vor ihren Eltern Liebe und Fürsorge zu erfahren. Es ist nicht so, dass diese Kinder keine Fürsorge erfahren möchten, doch es muss zu ihren Konditionen geschehen. Oft wird Hilfe von Erwachsenen nur dann angenommen, wenn diese völlig unaufdringlich angeboten wird. Völlige Wahlfreiheit ist Priorität, andernfalls wird sich dagegen gestellt. Gefühlsstarke Kinder sind auch als hochsensibel einzustufen, wobei umgekehrt nicht jedes hochsensible Kind diese extrem rebellischen Züge an den Tag legt. Doch gefühlsstarke Kinder haben oft auch Probleme mit lauten Geräuschen, unbekannte Situationen und fühlen sich häufig überfordert und reagieren ängstlich. Doch was kann ich tun? Das Leben hatte man sich vor der Geburt des gefühlsstarken Kindes sicher ein bisschen entspannter vorgestellt. Doch den Trick, das Kind doch noch zu einem “normalen” Kind zu erziehen gibt es nicht. Das Kind ist bereits “normal”, die Temperamentsausprägung ist bei allen Menschen anders und bei einigen eben besonders stark.

Es ist wie es ist

Oft sind es unsere Erwartungen, die uns das Leben schlechter empfinden lassen, als es tatsächlich ist. Vor allem die Erwartungen die wir an uns stellen, machen uns das Leben oft schwer - wir wollten doch so entspannte Eltern sein, auf nichts verzichten. Mit dem Wohnmobil in der Elternzeit durch Skandinavien zockeln, oder als Familie zur Party kommen und das Baby schläft friedlich im Nebenraum. Doch jetzt ist jede Abweichung der täglichen Routine kaum vorzustellen, dein unentspanntes Kind wehrt sich lautstark gegen jede unstete Art zu leben.

Loslassen und akzeptieren

Jetzt ist es Zeit, sich von diesen (oder anderen) Erwartungen zu lösen und zu akzeptieren, dass es nunmal nicht geht. Es hilft, eine neue Perspektive einzunehmen und zu üben dein Kind positiver wahrzunehmen. Die Art, wie ein Kind von seinen Eltern wahr- und aufgenommen wird, beeinflusst auch seine Selbstwahrnehmung und damit auch die Beziehung von Eltern und Kind und später auch die von außenstehenden Personen, wie Erzieher*innen oder Lehrer*innen, aber auch Großeltern etc. Die Versuchung, gefühlsstarke Kinder formen zu wollen ist oft sehr stark, das Kind soll lernen sich anzupassen. Doch wie wirkt sich das langfristig auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind aus? Wir Eltern wollen doch, dass aus unseren Kindern glückliche und selbstbewusste, ausgeglichene und selbstständige Erwachsene werden. Können wir mit hartem Durchgreifen die Grundsteine dieser Ziele legen? Oder wird mit dieser Herangehensweise das Gegenteil bewirkt? Eltern gefühlsstarker Kinder sollten nicht mit ihrem Schiksal hadern - das raubt zu viel Energie. Die Veranlagung dieser anstrengenden Kinder ist nicht zu ändern. Aber Eltern können selbst entscheiden, auf welche Weise sie ihre Kinder sehen und wie sie mit ihnen umgehen wollen, damit sie zu glücklichen und beziehungsfähigen Erwachsenen heranwachsen.

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